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02 April, 2006

Der budapester Fehlermeister

Buda (Ofen) von Pest aus gesehen; Donauflut durch schmelzende Schnee, 2006-04-01

Budapest

Budapest, einemillionsiebenhunderttausend Ungarn zwischen West und Ost, entweder bequem angesiedelt auf den grünen Hügeln Budas , oder, an der anderen, aber flachen, Donauufer, nervös herumgehend in einem frühindustriellen Museum, als ob mitten im 20. Jahrhundert ein chicagoähnliches Elan plötzlich gebrochen wäre.

Wahlversammlung der Sozialistischen Partei in Distrikt 9, 2006-03-31

Fehlermeister

Auch hier bin ich zu Hause, ich, der europäischen Fehlermeister. Warum? Weil man hier immer den Eindruck hat, daß die Meisten der einemillionsiebenhunderttausend irgendwann, irgendwie, irgendwo, etwas verpaßt hätten. Wir sind unter uns, ich und die Budapester. Wir haben beiden etwas verfehlt, was wir nie ganz kennen werden.

Doch weil wir immerhin zum Leisten verurteilt sind, sind wir es zur Fehlleistung.



Rève8

Distrikt 8 und Distrikt 9, die wir gestern durchquerten, brauchen sehr eine solchen Nachhilfe. Gepflasterte Fassaden der bauten für Industrie, Werkstatt, Läden und Wohnen, sind verwundet. Die rotbraunen Backsteine ihrer Innern sind in weiten Flachen bloßgelegt: Schwörende Wunden.

Ein Ire und das versprochene Land

Die KollegInnen der Rev8, der Achttraum, diejenige die zu träumen wagten und den Albtraum abzuschütteln, zeigten, wie Fehler und Schwäche umgezaubert werden können in Stärke und Leistung: Wertlos gewordenes Land und Bauten sind billig und wenn es sich auch noch handelt um ghettoïsierte Gegende, Folge einer fehlerhafte aber hartnäckige Mentalität, dann blühen auf den Ruïnen die Blumen, die Schöpfung und - irisches Stierenblut.

„Irisches“? Ja, denn es war ein authentischer Ire, der seit fünfzehn Jahren mitten im „Ghetto“ der Rakócszi Platz einen Etterem (Restaurant) treibt, der den Glauben an diesen Vision Wörte gab, als er sagte daß ein Ghetto nur eine Gedanke ist, zwei einander ausgrenzende Bilder: Eines das die Einen (innerhalb) von den Andern (außerhalb) haben, und ein Zweites, das die Andern von den Einen hegen. Es dauert zwar lange, das zu durchbrechen, aber es wird geschehen.

Die emanzipatorische Hausmeisterin

Und dann gab es noch die Hausmeisterin. In Distrikt 9 (Magdolna) gibt es eine „Vermietermaffia“, die, nach der Privatisation und Billigverkauf der Appartementen in 1990, unsolvente Käufer und Mieter terrorisieren. Folgen: Stagnation, Verluderung der Wohnungen und der Wohnumgebung, Spekulation und Streit. Eine administrativ unterlegte Frau hat sich spontan bereitgestellt als „syndic“, gewählte Hausmeisterin verschiedener Apppartementskomplexen. Sie hilft die Bewohner juristisch vorzugehen gegen den Spekulanten, sammelt öffentliche Unterstützungen für kollektive Sachen. Eigentlich ist sie eine Aufbau-Arbeiterin im Sinne des „Community Developments“. Notwendige Kollektivitäten werden aufgebaut – und das möchte eine Perspektive sein für eine Zukunft der Selbstverwaltung, auch in andern Sachen als Wohnen. Schon gibt es Kurse in Buchhaltung und Recht für Appartementsinhaber, zum Beispiel. Hier gab es „empowerment“ im Konkreten! Emanzipation der Bewohner fängt mit Empowerment an.

Kollektivraum eines Appartments-Kondominium mit Vereinsschild

Kraft durch Fehler

Fehler bei der übereilte Privatisation werden hier vielleicht zur Kraft, zur Anregung für einen eigenen Weg der Bewohner zur Emanzipation, weg aus der Hoffnungslosigkeit. Eine StadtReparaturWerkStatt, - eine Idee die der vorige Post hier („Maître des Échecs“) hervorgerufen hat -, eine SRWS also, ist hier am Platz.

Der Fehlermeister ist auch hier zu Hause.

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